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Technik und Bühnenmanagement unter die Lupe genommen

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Ausbildung Veranstaltungstechnik

Die im Dunkeln sieht man nicht

Ein Besuch bei zwei Bühnentechnikern im Ballhof am Staatstheater Hannover

Text: Jan Fischer

Der Moment von Alex Pauksch ist der Moment beim Applaus, wenn die Schauspieler:innen zum dritten oder vierten Mal auf die Bühne gehen, selber beginnen zu klatschen, nach hinten deuten und das Publikum sich umdreht, aber nichts sehen, weil Alex Pauksch mit schwarzer Kleidung im Dunkeln sitzt.

Noch ist es nicht soweit.

Alex – er ist einer dieser Menschen, die man unmöglich siezen, unmöglich mit dem Nachnamen ansprechen kann – sitzt bei einer Aufführung von »Die Räuber« im Ballhof in Hannover auf seinem Schreibtischstuhl. Vor ihm liegt ein roter Hefter, in dem seine Einsätze verzeichnet sind, davor wiederum stehen zwei Bildschirme, ein Tonmischpult, links von ihm ein Turm aus CD und DVD-Playern.

»Wir versuchen ja immer, alles so einfach zu machen, dass ein einhändiger Affe die Vorstellung fahren könnte.«

Alex ist Fachkraft für Veranstaltungstechnik, seit 1998 gibt es die Ausbildung, seit 1999 werden diese auch am Staatstheater in Hannover ausgebildet. Sein Fachgebiet ist Video und Sound. »Wir versuchen ja immer, alles so einfach zu machen, dass ein einhändiger Affe die Vorstellung fahren könnte«, sagt er später beim Gespräch ganz oben im Ballhof, als der Kaffee durchläuft, den er aus einem Büro zwei Stockwerke tiefer »geliehen« hat.

Hier, ganz oben, hat die Bühnentechnik ihr Reich, hinter dem Konferenztisch auf einer Mezzanine hängen Pacman- Geister aus Lego neben Dienstplänen an der Wand. Wer Alex beim Arbeiten beobachtet, merkt, dass es so einfach eben nicht ist: Er blickt abwechselnd konzentriert auf die Bühne und in den Hefter, die Regler bedient er blind, seine Dreadlocksträhnen wippen dabei unter der schwarzen Mütze hervor.

»Ich hatte keinen Bock zu studieren.«

Im Café Kränzchen neben dem Ballhof wird Heiko Janßen als Stammkunde begrüßt. Er trägt eine Casio-Taschenrechneruhr, Modell 90er-Jahre-Retro. Heiko ist Technischer Leiter vom Ballhof, und eigentlich wollte er ganz was anderes werden. »Tischler und Dachdecker lief nicht als Abiturient, die dachten, ich wollte nur ein, zwei Jahre da arbeiten und dann studieren. Aber ich hatte keinen Bock zu studieren.«

Also rutschte er – zusammen mit Alex – in die Ausbildung zur Fachkraft für Veranstaltungstechnik, arbeitete dann aber als Bühnentechniker in Robinson-Clubs, unter anderem auf Fuerteventura, landete wieder in Hannover bei Radio FFN, »nichts mehr mit Technik. Im Büro, so ganze Technikfirmen beauftragen. Das war schon ziemlich dick auf einmal. Aber ich saß nur noch am Schreibtisch. Und immer nur Roberto Blanco buchen für eine Kaufhauseröffnung in Oldenburg ist auch nicht so geil.« Also zog er, »wegen einer Frau«, nach Berlin und absolvierte noch ein Studium. »Veranstaltungstechnik und -management, da dachte ich mir: Wieso nicht? Machste das halt auch noch.«

»Hier im Ballhof ist die Bühne nie fern.«

Dann rief Alex ihn an, im Ballhof war eine Stelle frei. Und irgendwie stieg Heiko auf, und plötzlich war er Technischer Leiter. »Wieder ein Schreibtischjob, aber das Schöne ist: Hier im Ballhof ist die Bühne nie fern. Naja. Jedes Mal, wenn ich versuche, da mitzuhelfen, klingelt mein Telefon«, sagt Heiko, trinkt einen Schluck seines doppelten Espresso und lacht.

»Wir verpacken künstlerische Konzepte in technische.«

Egal, wen von den beiden man fragt: Beide sagen, ihr Beruf ist es, Kunst und Technik auszutarieren. »Wir verpacken künstlerische Konzepte in technische«, sagt Heiko, »da kommen Leute mit einer Idee und einem Text, die wollen das umgesetzt haben. Da ist oft nur rudimentäres technisches Verständnis vorhanden.« Die eigentliche Arbeit passiert bei beiden aber nicht während der Vorstellungen.

Heiko bespricht in Konferenzen die Rahmenbedingungen, gedanklich immer schon bei der übernächsten Premiere:

  • Wie groß darf das Bühnenbild sein? Wie viel darf es kosten?
  • Ist die Sicherheit der Schauspieler:innen und des Publikums gewährleistet?

Wie letztens, als bei einer Inszenierung erst in der ersten Probe auffiel, dass die Stufen für das Orchester zu hoch waren, und die Musiker:innen sie nicht gut herauf- und wieder herunterkamen, die Regie aber darauf beharrte, dass für das künstlerische Konzept wichtig sei, wie hoch die Stufen sind. »Da brennt dann die Hütte«, sagt Heiko, und er ist derjenige, der vermitteln muss.

»Nebelgranate aus NVA-Beständen«

Oder auch mal was verbieten, wie bei dem Gastspiel, bei dem auf der Bühne eine Nebelgranate aus NVA-Beständen gezündet werden sollte. »Da muss man dann auch manchmal der Spaßverderber sein«, sagt Heiko.

Wenn Heikos Arbeit an der Inszenierung aufhört, beginnt die von Alex hinter den Mischpulten und den Bildschirmen. Videoabläufe werden programmiert, Bilder geschnitten, die Tonregler voreingestellt. »Manchmal sitze ich dann eben Abends noch da, mach mir ein Bier auf, und programmiere das Pult. Und kann am nächsten Morgen der Regie was anbieten.« Oder es müssen auch auch mal eigenartige Sachen gebaut werden.

»Wenn ein Mikro in einen Besenstiel muss, mache ich das eben.«

»Ich bin ein Bastler«, sagt Alex, »und wenn ein Mikro in einen Besenstiel muss, mache ich das eben.« In der Werkstatt, ein Stockwerk unter dem mit der Mezannine, steht das aktuelle Bastelprojekt: Alte Röhrenfernseher, die im Hintergrund einer Inszenierung als Bühnenbild stehen sollen. Alex macht sie gerade fit. »Wir haben unseren Job gut gemacht, wenn niemand merkt, dass wir da sind«, sagt Alex und grinst – auch, weil der Kaffee durchgelaufen ist.

erschienen in junge bühne Nr. 10