Lisa Passow im Staatstheater Mainz
Foto: privat

Nachgefragt bei einer Souffleuse

Lisa Passow ist Souffleuse am Staatstheater Mainz

Wärst Du nicht Souffleuse geworden, wärst Du…

Das frage ich mich auch manchmal und mir fällt keine richtige Antwort darauf ein. Eventuell hätte ich irgendeinen Job in einem Großraumbüro am Computer, was ich als Souffleuse glücklicherweise vermeiden kann. Ich bin froh, einen Beruf zu haben in dem ich – statt einem Computerbildschirm – nur ein Textbuch und reale Menschen vor mir habe.

Wo ist der beste Platz fürs Soufflieren?

Ein Platz, von dem ich die Schauspieler alle gut im Blick habe. Während der Proben platziere ich meinen Stuhl irgendwo mittig und während Vorstellungen hab ich den mittleren Platz in der ersten Reihe. Manchmal wird mir das dann nochmal bewusst, dass ich gerade auf dem besten Platz im Theater sitze und dafür auch noch Geld bekomme. Und dann freu ich mich.

Wie viele Textbücher kannst Du auswendig?

Keine. Ich möchte mein Hirn nicht unnötig damit belasten. Wenn ich doch mal versehentlich etwas auswendig kann, vergesse ich es so schnell wie möglich wieder.

Dein Lieblingszitat aus einem Stück?

Da hat jedes Stück seine eignen Passagen, die ich mag. Oft ist es sogar eher eine Szene, in der weniger gesprochen wird oder etwas bildlich und/oder musikalisch dargestellt wird.

Was darf Dir während der Aufführung auf keinen Fall passieren?

Zu große Faszination mit dem Stück, denn dann vergesse ich meinen Job. Und ich hatte schon mehrfach Albträume von folgendem Szenario: Ich komme zur Vorstellung, setzte mich auf meinen Platz, die Vorstellung beginnt, ich schlage mein Textbuch auf…: Und stelle fest, dass ich das Skript eines vollkommen anderen Stücks mitgenommen habe. Das ist mir aber zum Glück noch nie wirklich passiert. Vielleicht auch Dank dieser Albträume.

Woher weißt Du, dass Schauspieler wirklich einen Texthänger haben?

Der Schauspieler sagt: „Text“. Das ist dann wirklich ziemlich offensichtlich. Dann gibt es noch verschiedene andere Signale, wie schnipsen oder eine Handbewegung oder ein Blick in meine Richtung oder auch einfach nur schweigen. Das kann man aber auch mal falsch interpretieren.

Was fasziniert Dich an Deinem Beruf?

Das es nicht wirklich ein Richtig und ein Falsch gibt. Ob man jemanden korrigiert oder weiterhilft oder nicht hängt immer wieder neu von der Situation, dem Stück und der Person ab.

Welche Voraussetzungen braucht man?

Das finde ich schwierig zu beantworten. Da es ja auch ein Beruf ist, für den es keine Ausbildung gibt und in den man auf andere Wege hineingerät, würde ich sagen, dass man es einfach lernt, während man es tut. Für mich persönlich habe ich Verschiedenes rausgefunden wie zum Beispiel: den Mut anderen auf die Nerven zu gehen, mein Recht darauf mit meinen Einschätzungen falsch zu liegen und die Fähigkeit auch einfach mal die Klappe zu halten. Und da ich in dem Moment schnell und spontan reagieren muss: mein Bauchgefühl.

Wird es Deinen Beruf noch in zwanzig Jahren geben?

Ich glaube schon. Gerade weil es beim Soufflieren nicht unbedingt ein Richtig oder ein Falsch gibt und es sehr situationsabhängig ist, wäre es schwierig, das zu technisieren. Dein Tipp für alle, die Souffleur bzw. Souffleuse werden möchten: Sich irgendwie durch Hospitanzen/Praktika ins Theater hineinbegeben und dann einfach mal nach den Möglichkeiten fragen.

erschienen in junge bühne Nr. 15